Winter-Plusenergiehaus Sol'CH
Demonstrationsprojekt BIPV (Building integrated photovoltaic):
Maximierung Erzeugung Winterstrom und
Nutzung von Nordfassade und Norddach
Standort Via dal Solch
7742 Poschiavo
Aufgabe Ersatzneubau
Wohnhaus
Verfahren Direktauftrag
Bauherrschaft Privat
Leistungsumfang Vorstudie
Projektierung
Baumanagement
Bauleitung
Fertigstellung 2021
Fotografie Nadia Vontobel Architekten GmbH
Das Projekt Sol’CH ist ein Ersatzneubau für ein Wohnhaus am nördlichen Dorfrand von Poschiavo, welcher konsequent auf Energieeffizienz und Energiegewinnung ausgelegt ist.
Ausgangspunkt der Planung war die These, dass jede neu gebaute Fassaden- und Dachfläche neben ihrer Funktion als Gebäudehülle auch zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Gleichzeitig bestand der architektonische Anspruch, ein wohnliches Haus zu schaffen, welches sich mit seiner gebäudeintegrierten Photovoltaik gut in die bestehende Dorfstruktur und den Landschaftsraum des Bündner Südtals einbettet. Als Konsequenz wurde die optimale Nutzung der Sonnenenergie exemplarisch früh in der Entwicklung des Programms und der Ausformulierung des Baukörpers berücksichtigt und hat die Architektur massgebend mitgeprägt.
Das längliche und schmale Gebäude liegt im Norden der Parzelle und blickt auf den südlich gelegenen Garten, den Borgo di Poschiavo und die Bergamasker Alpen. Gebäudeausrichtung, Dachneigung und Einschnitte des Bauvolumens sind maximal hinsichtlich Stromnutzung optimiert, nehmen aber gleichzeitig Rücksicht auf die vorhandenen aussenräumlichen Qualitäten des Ortes. Durch seine Massstäblichkeit und Ausrichtung fügt sich der Neubau in die bestehende Struktur von freistehenden Punktbauten ein, welche sich nördlich des Dorfkerns entwickelt. Das Haus wird von einem offenen Unterstand aus Sichtbeton flankiert, welcher zusammen mit einer bestehenden Natursteinmauer einen ortstypischen Vorplatz ausbildet. Die matte und dunkle Oberfläche der PV-Fassade trägt mit ihren Anthrazit- und Brauntönen zu einer harmonischen Eingliederung in die umliegende Landschaft bei.
Die volumetrische Idee des Neubaus mit seiner länglichen Ausrichtung spiegelt sich in der Organisation des Grundrisses wider. Während sich sämtliche Wohnräume zum südlichen Garten hin orientieren, nimmt eine schmale Raumschicht im Norden Erschliessung und Nasszellen auf. Die beiden Zonen werden durch eine lineare Möbelschicht unterteilt, welche je nach Bedarf Nutzungen von der einen oder der anderen Seite aufnimmt. Der Neubau mit zwei Eingängen kann sowohl als Einfamilienhaus wie auch als zwei separate Wohneinheiten genutzt werden. Die durch geringe Eingriffe mögliche Trennung erfolgt vertikal, so dass der direkte Zugang zum grossen Garten für beide Wohneinheiten gewährleistet bleibt.
Flexibilität und
Anpassungsfähigkeit des Gebäudes zeigen sich auch in der Tragstruktur.
Sämtliche Aussenwände und Decken sind tragend in Sichtbeton ausgebildet und
dementsprechend langlebig. Die Innenwände hingegen sind nicht tragende
Holzkonstruktionen und können folglich einfach angepasst werden. Die natürliche
Materialisierung im Innenraum spiegelt das Prinzip der Konstruktion wider.
Die konsequente Nutzung aller Fassaden- und Dachflächen im praktisch
nebelfreien Poschiavo führt in Kombination mit der idealen Ausrichtung und
Dachneigung von 35 Grad insbesondere im Winter und in der Übergangszeit zu
einer erheblichen Stromproduktion. Aussergewöhnlich am Projekt Sol’CH ist die
Aktivierung der Nordfassade und des steilen Norddachs, welche den
architektonischen Gesamtausdruck des Volumens stärkt und gleichzeitig zur
Optimierung der Stromproduktion beiträgt.
Das Winter-Plusenergiehaus trägt den Zielen der Energiestrategie des Bundes und der Kantone Rechnung. Der Kanton Graubünden hat dem Ersatzneubau den Status eines Pilot- und Demonstrationsprojektes zugesprochen und wird die Erkenntnisse während dem Bau und die Daten und Erfahrungen der ersten Betriebsjahre veröffentlichen. Das Projekt Sol‘CH erfüllt zudem alle Anforderungen der Label Minergie-P und Minergie-A und ist entsprechend zertifiziert.
Eine der grossen Herausforderungen war die Entwicklung von architektonisch überzeugenden Lösungen im Bereich gebäudeintegrierte Photovoltaik. Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich Oberflächen, Montage sowie Anschlussdetails der unterschiedlichen PV-Module ein breit angelegter Dialog mit den Lieferanten geführt werden muss. Das realisierte Projekt leistet einen Beitrag zur Entwicklung der Nutzung von Solarenergie, setzt mit seiner Sprache einen architektonischen Akzent und zeigt auf was Stand heute technisch und gestalterisch möglich ist.
© Nadia Vontobel Architekten GmbH